sinnvolle Annäherung an das Naturhorn - Wie?

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sinnvolle Annäherung an das Naturhorn - Wie?

Beitragvon dirk » Mi 20. Jul 2011, 00:14

Themen zu Naturhorn / Historischem Horn wurde in letzer Zeit öfter angesprochen. Ich schließe daraus, dass es generell ein großes Interesse am Naturhorn zu geben scheint. Bei mir persönlich hat sich in letzer Zeit auf jeden Fall das Interesse stark erhöht. Nun gibt es (nehme ich an) heute wahrscheinlich nur wenige Hornisten die vom Naturhorn kommen (so wie "unser" Prof). Aber ich denke, dass viele das Bedürfnis haben sich (nachträglich) eine gewisse Kompetenz zu erarbeiten und sich zumindest ein gewisses "Basiskönnen" bei Spiel auf dem Naturhorn erarbeiten möchten.
Die Frage stellt sich mir: Wie geht man hier sinnvoll vor?
Das beginnt schon bei der Auswahl des Horns. Welche Bauart ist als "Einstiegshorn" sinnvoll?
Ein Beispiel: Alexander (natürlich auch andere Hersteller) bietet mit den Modellen 194 und 290 zwei (meines Erachtens) grundverschiedene Naturhörner an. Ich kann mich natürlich hier bei der Instrumentenwahl vom Klang leiten lassen. Aber ist das auch sinnvoll oder sollte ich bei der Auswahl des ersten Naturhorns andere Schwerpunkte setzten?
Wie wähle ich sinnvolle Einstiegsliteratur aus? Wie gehe ich beim Üben strukturiert vor? Welche Schule ist zu empfehlen? Wie gehe ich mit dem Notenmaterial um (handschriftliche Notizen zur Spielweise?) etc.
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Re: sinnvolle Annäherung an das Naturhorn - Wie?

Beitragvon Prof » Mi 20. Jul 2011, 06:55

Lieber Dirk !
Gleich vorweg: was ich jetzt mitteilen werde, ist keine Kritik, sondern nur Anregung aus praktischer Erfahrung bzw. Beobachtung.

Bevor Du ein Naturhorn kaufst, versuche einmal, auf der F-Seite Deines Doppelhorns oder auf einem reinen F-Horn ohne jede Ventil-
betätigung den vollen Umfang und die Naturtonmöglichkeiten zu "erforschen". Du kannst dazu auch die Ventilzüge entfernen, damit
Du hinsichtlich der "trägen Masse" näher an das Naturhorn kommst.

Du mußt erst einmal beim Treffen der Naturtöne, d.h. einschließlich der etwas "schräg" sitzenden Töne b1, f2, - a2 und aufwärts lassen wir
im Moment noch ganz weg - sattelfest, echt sattelfest werden. Der Abstand der Töne zueinander muß hundertprozentig im Kopf sein. So kannst Du
später auch Naturhörner in anderen Stimmungen als F sofort identifizieren.

Was sollte geübt werden ? Die absolute Beweglichkeit. Welche Schule ? Zimmermann könnte noch die Naturhornschule von J.Schantl vertreiben. Ich hätte da auch noch ein paar Stück (neuwertig). Die Naturhornschule von G.v.Freiberg paßt auch, da in ihr keine "manipulierten" Töne
verlangt werden.

Das wäre einmal für die nächsten Monate genug Übungsstoff. Wie gesagt, es geht vorerst überhaupt nicht um gestopfte oder gefdämpfte Töne, sondern nur um die ECHTE Beherrschung der vorgegebenen Naturtöne (ohne die Region g2 aufwärts und ohne "Tiefseeforschung").

Während Du das jeden Tag so 20 min. mindestens übst, kannst Du auch, wenn es trotzdem Spaß macht, über die Anschaffung eines Naturhorns nachdenken. Im Prinzip sollte ein Naturhorn nicht viel mehr sein, als ein gewundenes Messingrohr, das am Anfang ziemlich eng und am Ende ziemlich weit ist. Ein regulierbarer Zug in der Mitte wäre zur Feinstimmung ganz praktisch. Beim Mundstück kannst Du auch bei dem gewohnten Stück bleiben. Zusammengefaßt heißt das, daß eigentlich jedes Naturhorn paßt, zumindest für Deinen Zweck. Wichtig wäre noch, daß der Schallbecher hinsichtlich Weite die Möglichkeiten Deiner rechten Hand bezüglich der späteren "Stopferei" nicht überfordern sollte. Es muß bequem möglich sein, mit Deiner vom Doppelhorn her gewohnten Stopftechnik in der mittleren Lage einen Halbton höher und durch das Dämpfen (geschlossene Finger, Hand etwas mehr als sonst abgewinkelt !) einen Halbton tiefer zu erzeugen. Das f2 sollte mittels eines ganz leichten Abdeckens und ohne Lippenkorrektur gut stimmend erzeugt werden können.

Wenn Du das Naturhorn in dieser Phase erst einmal richtig beherrschst, dann geht es weiter. Ich stehe auf Anfrage immer zur Verfügung.

Wichtig ist es, diese Übungen erst einmal eher als Erweiterung der Lippentechnik zu verstehen. Du wirst sehen, daß sich dadurch auch die Spielfertigkeit auf dem gewohnten Doppelhorn wesentlich verbessern wird.

Die Technik der rechten Hand kommt dann in ein paar Monaten dran.

Erst einmal viel Spaß - und nicht aufgeben.
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Re: sinnvolle Annäherung an das Naturhorn - Wie?

Beitragvon dirk » Do 21. Jul 2011, 19:54

Lieber Prof,

die vorgeschlagene Herangehensweise erscheint mir einleuchtend. Das werde ich so ausprobieren. Eines meiner Doppelhörner (ohne Ventilzüge) wird mir fürs Erste als "Naturhorn" genügen :-)
Dann mach ich mich mal an die Arbeit und wenn ich Fragen habe, werde ich gerne auf dein Angebot zurückkommen und mich melden.
Viel zu sagen gibt es bis dahin wohl nicht. Die Anleitung ist ja fürs Erste sehr klar.
Nur soviel: Vielen Dank, das war wirklich eine sinnvolle Hilfe für mein Vorhaben.
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Re: sinnvolle Annäherung an das Naturhorn - Wie?

Beitragvon Sebastian » Fr 22. Jul 2011, 09:48

Hallo Dirk,

ich spiele zur Zeit täglich die Gabler Naturhorn-Etüden auf meinem F-Horn. Die Übungen schreiten im Schwierigkeitsgrad deutlich langsamer voran als die Schantl Übungen, der Tonumfang beschränkt sich lange Zeit auf g - e''. Ich finde sie recht abwechslungsreich, soweit das eben er beschränkte Tonvorrat zuläßt.

noch ein Youtube-Video als "Geschmacksanreger" (David Guerrier mit dem 2. Satz aus dem 2. Haydn-Konzert (das ja wohl von einem anderen Komponisten stammt. Die anderen beiden Sätze sind auch hörenswert, wie auch das Trompetenkonzert im 1. Teil des Konzertes)):
http://www.youtube.com/watch?v=7TtBEX5Xxjs

Gruß

Sebastian
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Re: sinnvolle Annäherung an das Naturhorn - Wie?

Beitragvon Prof » Fr 22. Jul 2011, 10:25

Lieber Sebastian !

Dirk spielt schon längere Zeit Horn. Er braucht sich nicht das g2 wie ein Anfänger zu erarbeiten, da er es schon lange"hat".
Es geht hier nur um die Beweglichkeits- und Treff-Übungen, die in der Schantl Schule sehr gut angegeben sind.
Und überhaupt: was ist an dem g2 so schwer ? Ohne eine gewisse Anstrengung, d.h. es kann auch mal "beissen" - erreicht
man gar nichts.

Trotzdem, auch die Gabler Naturhorn-Etüden sind gut, ebenso die 160 Übungen der Naturhornschule von Freiberg.
Wer es ganz genau wissen will, sollte den wunderbaren Nachdruck der dreibändigen Horn-Schule von Dauprat (jetzt in einem
Band) erwerben. Die kostet allerdings ziemlich viel, ist aber auch ein Prunkstück, mehrere Kilo schwer, franz. & engl.
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Re: sinnvolle Annäherung an das Naturhorn - Wie?

Beitragvon dirk » Fr 22. Jul 2011, 20:18

Hallo Sebastian,

danke für den Link. Den kannte ich noch nicht. Den Hornisten auch nicht. Sein Ansatz sieht für mich etwas seltsam aus... Mein Lehrer hätte mir damals was erzählt, wenn ich mit soviel "Lufttaschen" geblasen hätte. Aber schließlich: Das Ergebnis zählt ;)
Was die Schule angeht werd ich mich zunächst mal an Schantl versuchen und man kann ja nicht alles Wünschenswerte auf einmal probieren. Außerdem kann ich scheinbar bei Schantl endlich mal rausfinden ob ich das "g2" kann :lol: a bissle Spass muss sein ;)
jo, ich spiel schon eine Weile Horn. Ich bin auch schon 42 Jahre alt. Allerdings bin ich Ingenieur - kein Hornist. Es ist nur ein Hobby. Ich kenn Teenager die könnes es besser als ich. Zumindest technisch... Bei der Musikalität hab ich da eher Zweifel. Manches kommt halt erst mit den Jahren.
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Re: sinnvolle Annäherung an das Naturhorn - Wie?

Beitragvon Beate_Pokorny » Sa 23. Jul 2011, 14:07

Hallo Dirk,

Du hast recht, es ist ein Trompeteransatz. Der Franzose David Guerrier ist z.Zt. einer der höchstdotierten Trompeter in der Szene und außerdem Solohornist im Orchestre National de France. Erstaunlich finde ich trotzdem, was bei ihm "hinten raus" kommt. Schließe einfach die Augen und lausche diesem einzigartigen Ausnahmemusiker mit seinem wundervollen Naturhornsound und vergiß solange seinen Ansatz! ;)

Bussi, BATE :lol:

PS: Hatten wir David Guerrier nicht schon in einem anderen Thread?
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Re: sinnvolle Annäherung an das Naturhorn - Wie?

Beitragvon Hödlmoser » Sa 23. Jul 2011, 15:26

Sebastian danke für den Link!
Was für ein herrlicher Musiker!!
Was für ein schöner Ton!!!
Alles ohne Schnörkel und unparfümiert!!
Ebenso auf der Trompete!
Und auf der Ophycléide! (mit cut&paste aus dem frz youtube, auch auf http://www.ophicleide.de/index.php/artikel/articles/artikel_5.html auch Ophicleide) geändert am 25.7.2011, aus der Berliner Musik-Zeitung vom 17. Januar 1858.
Bin begeistert. :roll:
Liebe Grüße vom Hödlmoser
Zuletzt geändert von Hödlmoser am Mo 25. Jul 2011, 07:52, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: sinnvolle Annäherung an das Naturhorn - Wie?

Beitragvon Prof » Sa 23. Jul 2011, 18:11

Ophicleide bitte, nicht mit "y". Danke. Man kann halt nicht alles wissen. Bitte, korrigiert mich ebenfalls. Bin keine Ausnahme.

Nun habe ich mir den Haydn-Satz mit David Guerrier auch angehört. Beeindruckend, wie er das Naturhorn "tracktieret". Sehr gut in der Intonation mit sehr wenigen Bewegungen der rechten Hand. Würde er die rechte Hand etwas weniger als Faust halten, ginge es noch viel besser. Musikalisch gesehen (gehört) bleiben einige Wünsche offen. Warum denn diese leidigen und unnötigen oberen Vorschläge bei jedem Triller ? Es gibt doch in der Klassik eine Regel, daß dieser einführende Triller nur dann zu verwenden ist, wenn der Hauptton des Trillers schon im vorausgehenden Ton gebracht wird. Sonst klingt es ziemlich manieriert.

Der Dirigent bringt aber auch gar nichts an Inspiration rüber.

Zum Ansatz: es sieht eigentlich völlig normal aus. Diese kleinen Lufttaschen sind wahrscheinlich anatomisch bedingt. Würde er auswendig spielen oder sein Notenpult höher setzen, würde er sich nicht so weit hinunterbeugen müssen, was ja bekanntlich den Hals nicht gerade frei macht. Sein Ton würde noch schöner werden.

Das Horn ? Es entspricht z.B. den Lorenz-Hörnern am Ende des 18.Jhdts. außer in den aus Blech gerollten Stützen (? - Lorenz hat meist Stützen aus gewalztem Vollmaterial). Der D-Bogen sieht am Beginn fast aus wie ein Bogen von Kretzschmar oder auch Saurle, kann aber kein Saurle sein. Der würde nur bedingt passen.

Jedenfalls sehr hörenswert.

Und noch ein besonderer Link. Ihr solltet das über Euch ergehen lassen. Das Ensemble ist natürlich "handverlesen" mit 1 Violine, zwei Klarinetten, Cello, Bass, Akkordeon, Klavier und Keyboard als Begleitung des K447 in einer öffentlichen Aufführung. Ich habe mich bemüht, einige wenige nicht verrollte Töne zu finden, habe mich aber sehr schwer getan. Die Cadenza setzt dem Ganzen den Gipfel auf.

Wer so etwas nach Youtube raufschickt, hat entweder jeden Sinn für Selbstkritik verloren oder will den "Solisten" für alle Zeit vernichten.
Hört Euch das in aller Ruhe an.

http://www.youtube.com/watch?v=2Hri_FHe ... re=related
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Re: sinnvolle Annäherung an das Naturhorn - Wie?

Beitragvon Sebastian » Sa 23. Jul 2011, 21:24

Hallo Beate,
PS: Hatten wir David Guerrier nicht schon in einem anderen Thread?

ich habe in einem Thread von Guerrier berichtet als es darum ging, ob Trompete und Horn zu spielen miteinander vereinbar ist (bevor es gleich wieder los geht: ich weiß, Guerrier ist dafür ein schlechtes Beispiel, da Ausnahmemusiker).

Und dann erwähnte ich noch in einem anderen Thread eine wirklich tolle CD-Aufnahme des Schumannschen Konzertstückes mit Guerrier am 1. Horn auf Instrumenten der Zeit als Zugabe zur 9. Sinfonie von Dvorak
http://www.amazon.de/s/ref=nb_sb_noss?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85Z%C3%95%C3%91&url=search-alias%3Daps&field-keywords=dvorak+aus+der+neuen+welt+naive&rh=i%3Aaps%2Ck%3Advorak+aus+der+neuen+welt+naive&ajr=0

Grüße

Sebastian
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