Das Ende der Musiker

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Das Ende der Musiker

Beitragvon www_corno_de » Fr 13. Feb 2009, 21:32

Heute habe ich bei einem Elternabend das Ende der Musiker kommen sehen. Eine Mutter erzählte stolz über kulturelles Engagement für ihre Tochter. Man war im Theater Halberstadt, dort gab es den "Nußknacker", das Ballett war echt, die Musik kam vom Band. Die Mutter sagte, es wäre kein Unterschied zu hören gewesen und die Musiker sitzen doch nur im Graben und sind nicht zu sehen. Ihr hätte nichts gefehlt.
Ich bin noch jetzt geknickt...... :(
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Re: Das Ende der Musiker

Beitragvon Günther » Fr 13. Feb 2009, 22:57

Ich denke, daß die Dame ohnehin nicht den typischen Konzertbesucher repräsentiert. Der wäre es vermutlich auch nicht aufgefallen, wenn "Peter und der Wolf vom Band" gekommen wäre. Ich hätte ja argumentiert, das man ja das Bolschoj Ballet über Beamer einspielen sollte. Würde ja weiter nicht auffallen, weil die auch nicht singen.

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Re: Das Ende der Musiker

Beitragvon Martin2 » Fr 13. Feb 2009, 23:35

Solche Fälle sind hoffnungslos!
Leider kann man solchen Subjekten den Zugang zu öffentlichen musikalischen Veranstaltungen nicht verbieten.
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Re: Das Ende der Musiker

Beitragvon George » Fr 13. Feb 2009, 23:41

Tonband-Ballett und Bühnemusik vom Band sind ja schon lange keine Seltenheit mehr. Das zeigt auch deutlich, welcher Stellenwert dem Orchester und seinen Mitgliedern vielfach gerade noch zugestanden wird. Operninszenierungen werden in Rezensionen ausführlichst zerlegt und besprochen, die musikalische Interpretation aus dem Graben dagegen kommt häufig nur auf zwei Halbsätze. Schade, aber nicht aufzuhalten. Alleine schon aus Kostengründen wird das Tonband verstärkt genutzt werden.
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Re: Das Ende der Musiker

Beitragvon www_corno_de » Sa 14. Feb 2009, 07:36

Das Ballett vom Beamer - das habe ich gestern auch gesagt, das ganze nennt sich dann Kino!
Ich weiss ja nicht, wie es bei euch zugeht, hier wird im Stadtorchester überlegt, ob man im Konzert einige Teile des Freischütz mit 2 oder gar mit 3 Hörnern spielen soll. Im Schulkonzert erklingt "Die Moldau" ohne 2. Oboe, 2. Trompete, Tuba, Harfe, 2.&3. Posaune, 4. Horn, 2.Fagott, es gibt nur einen Schlagzeuger, der darf sich entscheiden ob er Pauke spielt, Triangel oder Becken (dieses wir auch nur mit einem Becken und einem Schlägel ausgeführt). Die Besetzung in den Streichern - 3 - 4 1.Violinen, 2 - 3 2.Violinen, 2 Violas, 2 Cellis, 1 Bass.

Das alles wird gespielt nicht etwa in einem Arrangement, sondern durch einfaches Weglassen der Stimmen.
Das war nur ein Beispiel, auch in Konzerten kommt es zu bizarrsten Ereignissen. Das schlimmste, hier ist man gar nicht mehr kritikfähig, man findet sich toll. Herrlich Musik, tolle Konzerte, überragende Leistung - so definiert man sich in der Presse und öffentlich.
Und man verweist auf die vielen geschlossenen Theater und Orchester und das man froh sein soll.
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Re: Das Ende der Musiker

Beitragvon Prof » Sa 14. Feb 2009, 12:57

Hallo Robert !
Voll einverstanden mit Deiner Auffassung. Das beweist nur, daß der "ungebildete" Zuhörer oder Besucher von denb Masenmedien (TV z.B.) völlig verdorben und bekackt ist. Allerdings reisen hochqualifizierte Ballettgruppen mit ihrem Programm häufig. Um Probenkosten (Orchester, Dirigent), die eine Tournee sehr verteuern würden, einzusparen, geht man auf Band über. Dagegen ist eigentlich nichts zu sagen. Das Ballett hat die richtige Musik in der richtigen Qualität incl. richtigen Tempi. Der Vorwurf trifft also eigentlich nur den Zuschauer, u.z. zurecht. Die Massenverblödung wird von denb kommerziellen TV-Sendern systematisch in einer Art betrieben, die noch weit unter dem Niveau der US-TV-Shows liegt.

Anders ist es bei Konzertveranstaltungen. In der von Dir beschriebenen Situation (Freischütz, usw.) ist wohl der Dirigent zu faul oder einfach zu ungebildet, die Stücke entsprechend zu arrangieren, damit man mit dem zur Verfügung stehenden Personal auskommt. Freischütz mit nur zwei Hörnern, das geht schon, wenn man es richtig macht. Selbst Beethovens 9.Symphonie funktioniert mit nur zwei Hörnern. In der Musik der Romantik wird es schwer. Aber einfach Stimmen wegzulassen, ohne sie in andere Stimmen zu übernehmen, ist grober Unfug und sollte sofort abgestellt werden.

Man denkt aber anscheinend: "ist eh wurscht. Merkt doch niemand !"

Robert, es ist echt wichtig, derartige negative Auswüchse anzuprangern, wie Du das getan hast. Nur, wenn einmal ein Orchester abgebaut ist, wird es kaum jemals wieder zum alten Glanz auferstehen.
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Re: Das Ende der Musiker

Beitragvon Thomas » Sa 14. Feb 2009, 13:23

Ich erinnere mich noch an einen legendären Brief einer Stadtverwaltung an das städtische Orchester, warum man sich denn vier Hörner leiste; man habe doch auch nur drei Trompeter.
Bei Musicals ist die Situation ja jetzt schon dramatisch, die Orchester bis zum geht nicht mehr eingedampft.
Studioaufnahmen für TV und Werbung gibts praktisch auch nicht mehr, kommt fast alles aus der Büchse (Samples) und klingt logischerweise alles gleich.

So langsam erwischt es halt auch die Klassik. Im Muckenbereich ja nichts neues ( eingesparte Posaunen und 3+4 Hörner gibts ja schon lange ), in städtischen Orchestern aber schon.

Um dem schleichenden Abbau entgegenzuwirken muß man beim Publikum anfangen.
Mir wird Angst und Bange, wenn ich sehe, wie wenig Kinder heute noch Kontakt zur klassischen Musik bekommen. Weder zuhause, noch in der Schule.
Sicher, klassische Musik war schon immer "Minderheiten" Musik, aber so schlimm wie heutzutage, wars zu meinen "Lebzeiten" (47 Jahre) noch nie.
Hier müssten die Orchester mehr tun. Ab und an Kinderkonzerte zu geben reicht nicht. Nach Möglichkeit regelmäßig in Schulen gehen und zwar in Grundschulen, Gesamtschulen, Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien. Die Musikschulen tun das auch schon.
Da laufen ja auch schon Projekte wie Klassenmusizieren, oder Jeki.
Mit einer konzertierten Aktion von Musikschulen und Orchestern wären vielleicht wieder mehr Kinder für klassische Musik zu begeistern. Ansonsten sehe ich was die Zukunft unserer großen und bunten Orchester/Opernlandschaft angeht wirklich schwarz.
Sicher, die großen Häuser und Orchester werden bestehen bleiben, aber die vielen kleinen?
Sorgt man nicht nachhaltig für volle Häuser haben es Stadtverwaltungen leichter den "Kostenfaktor" Stadttheater/Oper/Orchester abzuwickeln.
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Re: Das Ende der Musiker

Beitragvon Günther » Sa 14. Feb 2009, 15:18

Veranstaltungen für Kinder gibt es sicher zuwenige. Vielleicht ist dabei falsches kommerzielles Denken der Veranstalter schuld. Eine Familie mit drei Kindern geht sicher nicht zu normalen Preisen in ein Konzert. Ich kenne einige Veranstaltungen, welche aber durchaus erfolgreich sind. Erfolgreich sind sie, wenn sie das Interesse der Jugend erwecken können. Die meisten meiner Bekannten, welche sich für Klassik interessieren, haben irgend mal ein Instrument gespielt. Vielleicht sollten Orchester den Musiklehrern Exkursionen mit ihren Schülern zu ausgewählten Proben anbieten.
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Re: Das Ende der Musiker

Beitragvon www_corno_de » Sa 14. Feb 2009, 18:21

Das Mittelmaß heißt hier "Niveau". Die Stadt steht hinter dem Orchester. Noch!
Und ich finde es mal genau wie Prof. Pizka, man kann auch mit kleiner Besetzung spielen, aber bitte dann ein gutes Arrangement. Das passiert hier nicht. Der Dirigent des Orchesters hier hat zu allem auch noch bei Ritzkowski und Chakar Horn in Stuttgart studiert.
Und es passiert keineswegs nur in Schülerkonzerten. Dort wird z.B. "Peter und der Wolf" immer nur mit 2 Hörnern gespielt (wer weiß, was noch fehlt), das 3. wird weggelassen.
Im Chorkonzert wird der Priesterchor gespielt und man merkt erst in der Anspielprobe vor dem Konzert, das man ja keine Posaunen hat. Ups. Dann eben gleich das nächste Stück aus der Zauberflöte - ups - wir haben keine Bassetthörner. In beiden Fällen durfte ich ad hoc die 1.Stimme aus der Originalstimme auf dem Horn spielen. In einem anderen Konzert des vergangenen Jahres ist in der Generalprobe aufgefallen, das es in einem Werk ein riesen einleitendes Harfensolo gibt, man aber keine Stimme habe. Der arme Harfenist bekam die Noten um 19.30 Uhr - das Konzert ging 19.30 los. Er spielte um sein Leben, weil die Stimme nicht (!) eingerichtet war. Wer etwas sich mit der Harfe auskennt, weiß, was dies bedeutet.
Ein anderes Konzert wurde mit der 9.Sinfonie von Dvorak gegeben. Auch hier - eine lächerliche Streicherbesetzung. In meiner Studienzeit wurde uns die besondere Art des Beckenschlags in diesem Werk erläutert. Hier saß ein Schlagzeuger an einer Schiessbude und patschte mit einem Schlägel aufs Becken -aua!
Natürlich ist es so kraß, das man unweigerlich nur noch lachen will. Im letzten Schülerkonzert war der 2.Satz aus Haydns Paukenschlagsinfonie dran - und ....... klar, der Pauker haute genau an der falschen Stelle laut drauf. Helau, Karneval!
Willkommen im Stadl! Nur sollte den Schülern die Wichtigkeit klassischer Musik nahe gebracht werden. Einige maulten schon vorher, weil der Eintritt den Preis einer Schachtel Zigaretten hatte.
Als Musikverleger darf ich noch erwähnen, das häufig aus Kopien gespielt wird, ob dies legal ist, sei einmal dahin gestellt. Oder man spielt aus Kopien von "Lucky Music" aus Amerika!
Ich frage mich hier nur, wie man an solchen Verhältnissen etwas ändern kann, Kritik wird als Nestbeschmutzung angesehen.
Vielleicht hat die nette Mutter am Ende Recht? Vom Band ist es besser?
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Re: Das Ende der Musiker

Beitragvon Hödlmoser » Sa 14. Feb 2009, 19:40

Die oben genannte Dame wird aber sicher sehr gerne in Konzerte des Herrn Andre Rieu gehen. Die spielen ja auch alles Playback. Die Aufnahmen sind aber sicher auch von dem selben, oder vorherigen Orchester gemacht. Und sicherlich unter der Leitung des Maestro. So klingen diese auch. Kein "swingen" des Wienerwalzers. Dafür "spielen" die Musiker ohne Noten. Der Stehgeiger hält eine echte Stradivari, die sich sicher schämt, playback spielen zu müssen. Aber die Sporthallen sind Monate vorher ausverkauft wenn Rieu "spielt".
So "schön" kann Musik vom Band sein. Und die Leute glauben wirklich, daß da live gespielt wird. Wie weh muß es einem Hornisten oder Bratscher oder zweiten Geiger tun, der weiß, wie man den Wienerwalzer "nachschlagt", wenn er sein Instrument zu dieser "Musik" halten muß.
Schande!
LG Hödlmoser
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