Hoffmeister: Concerto in Dis

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Hoffmeister: Concerto in Dis

Beitragvon klangwelt » Di 29. Dez 2020, 18:49

Ein Freund von mir beschäftigt sich im Rahmen seines Musikstudiums mit den Hornkonzerten von Franz Anton Hoffmeister, die anscheinend ziemlich unbekannt sind. Eines der Konzerte wurde von der Robert-Ostermeyer-Musikedition als "Concerto in Dis" herausgegeben. Auch laut Wikipedia steht das Konzert in Dis-Dur. Die Noten des Stücks liegen mir nicht vor. Mir erscheint aber diese Grundtonart statt des üblichen Es-Dur als äußerst ungewöhnlich. Gibt es dafür eine Erklärung?
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Re: Hoffmeister: Concerto in Dis

Beitragvon Waldviertel » Di 29. Dez 2020, 19:24

Wenn es nur für Streichorchester und Horn ist, wäre ein möglicher Grund:
Alle Streicher stimmen ihre Instrumente einen Halbton höher und spielen wie in D-Dur, das Horn in Es. Die Hornstimme ist ja Naturhorn in Es?
Wäre ein Entgegenkommen den Streichern gegenüber, bei denen b-Tonarten nicht so beliebt sind.
Man müsste die Streicherstimmen dazu sehen...
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Re: Hoffmeister: Concerto in Dis

Beitragvon silber93 » Mi 30. Dez 2020, 03:54

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Re: Hoffmeister: Concerto in Dis

Beitragvon klangwelt » Mi 30. Dez 2020, 13:59

Wie im von Silber93 verlinkten Notenbeispiel zu sehen ist, ist das Konzert in Es-Dur notiert. Danke für den Link! Bleibt noch die Frage, warum es dann als "Concerto in Dis" bezeichnet wird und nicht als Concerto in Es, was ja naheliegender wäre...
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Re: Hoffmeister: Concerto in Dis

Beitragvon Waldviertel » Mi 30. Dez 2020, 16:37

Man müsste dazu die Originalnoten sehen.
Herr Ostermeyer hat eine sehr schöne Ausgabe erstellt und bezieht sich dabei auf eine Abschrift im nordböhmischen Kloster Osek.
Vielleicht kann er helfen?
Bitte die Lösung dann hier verraten! :)
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Re: Hoffmeister: Concerto in Dis

Beitragvon Villanella » Do 21. Jan 2021, 08:57

Ich kenne das genannte Hoffmeister-Konzert und seine Quelle nicht, kann aber mit Sicherheit sagen, dass die Bezeichnungen "Dis" und "Es" bis ins 18.Jahrhundert im dt.Sprachraum völlig synonym waren. Das stammt aus der Tradition der dt.Orgeltabulatur, die für die Alterationen (die "schwarzen Tasten") ausschließlich die Namen cis, dis, fis, gis und b verwendete, ganz unabhängig vom harmonischen Kontext. Auch wenn sich heute unsere enharmonischen Fußnägel hochkringeln, war es damals also ganz selbstverständlich, ein Musikstück in Es-Dur als "ex Dis" oder "in Dis" zu bezeichnen, siehe hier etwa das Titelblatt der Haydn-Symphonie Es-dur Hob.I:74:
https://muscat.rism.info/system/digital_objects/attachments/000/015/433/original/HaydnJ_Sinf_Es_Hob1-74_MusMs1014_CovSm.jpg

Noch Beethovens Eroica wird 1805 auf einem Konzertplakat angekündigt als "Eine neue grosse Simphonie in Dis"..!

Das hat also auch nichts speziell mit Hornmusik zu tun, wobei natürlich Hornkonzerte sehr gerne in Es-Dur stehen und man dort vielleicht häufiger auf das Phänomen stößt als bei Violinkonzerten :)
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Re: Hoffmeister: Concerto in Dis

Beitragvon www_corno_de » Do 21. Jan 2021, 11:50

Über @waldvietel musste ich schon mehr als schmunzeln. Man stelle sich das vor - alle Streicher stimmen einen halben Ton höher! Die armen Instrumente. Bei Solo-Streichern gab es das, Sperger zum Beispiel. In Peter Ritters Concertante für Horn und Violoncello wurde das Cello auch umgestimmt.
https://www.corno.de/shop/konzerte/instr-orchester/rom119.html

Ansonsten trifft @Villanella den Nagel auf den Kopf. In David Kellner Treulicher Unterricht im General-Baß von 1743 findet sich so ein Quintenzirkel mit Dis.
https://books.google.de/books?id=tehCAAAAcAAJ&hl=de&pg=PA60#v=onepage&q&f=false


Teilweise wurde Dis-Dur auch mit nur zwei b notiert, das as als drittes b wurde jeweils als zufälliges Vorzeichen notiert. Muss man ganz schön aufpassen.
Robert Ostermeyer Musikedition
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Re: Hoffmeister: Concerto in Dis

Beitragvon klangwelt » Do 21. Jan 2021, 13:49

Dank an Villanella und Robert Ostermeyer für die hilfreichen Antworten und Links!
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Re: Hoffmeister: Concerto in Dis

Beitragvon Waldviertel » Do 21. Jan 2021, 17:40

Schön, wenn in diesen spaßbefreiten Zeiten noch jemand einfach nur schmunzeln kann.
Und Danke für die interessanten Informationen!
Ich bin selbst kein Geigenspieler, aber die Skordatur war doch damals durchaus üblich?
Wolfgang Amadeus Mozart notiert die Solo-Violastimme seiner Sinfonia concertante für Violine und Viola Es-Dur KV 364 um einen halben Ton tiefer, also in D-Dur, was spieltechnisch sehr viel bequemer liegt. Die Viola ist also um einen Halbton höher gestimmt, wodurch sie auch eine größere klangliche Brillanz erhält.
Das Österreichische Musiklexikon etwa schreibt: W. A. Mozart (Sinfonia concertante in Es f. V., Va. u. Orch. KV 364) verwendete als einer der ersten Komponisten die sog. Transpositions-S., bei der die in der Standardstimmung vorhandenen Intervalle beibehalten werden.
Glaube nicht, dass das eine Geige gleich ruiniert.
Und die "Orchester" waren damals ja auch viel kleiner.
Aber da Sie "an der Quelle" sitzen nehme ich an, die Originalstimmen sind mit "b", also Es-Dur notiert?
Der alte Quintenzirkel ist wirklich hochinteressant!

Hätte aber dazu noch eine Frage, die ich noch nirgends befriedigend beantwortet gefunden habe:

Warum spielen die Blasinstrumente gerne in den B-Stimmungen? In der Blasmusik sowieso (warum?), aber auch in der "Kunstmusik":
Warum hat z.B. W.A. Mozart 3 seiner Hornkonzerte und das Rondo in Es geschrieben, aber nur eines in D?
Im Zusammenspiel mit Streichern wäre doch ein D-Horn praktischer für die Streicher?

Liebe Grüße aus dem Schnee
Waldviertel
 
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Re: Hoffmeister: Concerto in Dis

Beitragvon a.r.cor » Fr 22. Jan 2021, 21:55

Hallo Waldviertel,

kann Ihre Fragen
(Warum spielen die Blasinstrumente gerne in den B-Stimmungen? In der Blasmusik sowieso (warum?), aber auch in der "Kunstmusik":
Warum hat z.B. W.A. Mozart 3 seiner Hornkonzerte und das Rondo in Es geschrieben, aber nur eines in D?
Im Zusammenspiel mit Streichern wäre doch ein D-Horn praktischer für die Streicher?)
leider nicht vollständig beantworten.

Mozart hat in der Tat für Horn überwiegend Konzerte in Es-Dur geschrieben; könnte an dem bevorzugten Instrument des Uraufführungs-Solisten (Leutgeb) gelegen haben. Vor der Erfindung der Ventile war es dem Hornisten quasi egal, welche Grundstimmung das Solokonzert vorsah - mit Hilfe des passenden Bogens konnte er die gewünschte Tonart erzeugen.
Mozarts Flötenkonzert KV 313 ist in G-Dur, das späte Klarinettenkonzert KV 622 in A-Dur, das Oboenkonzert KV 314 in C-Dur, das Fagottkonzert KV 191 in B-Dur komponiert. Eine eindeutige Tendenz zu B-Tonarten bei Bläserkonzerten sehe ich daher bei Mozart nicht.
Von J. Haydn bspw. gibt es 2 Hornkonzerte in D-Dur, von M. Haydn eines in D-Dur, von L. Mozart ebenfalls eines in D-Dur, von Rosetti u.a. einige in Es-, aber auch drei in E-Dur, von Danzi ein Konzert in E-Dur; nur eine unvollständige Liste.
Durch die Saitenstimmungen "mögen" die Streicher lieber Konzerte in Kreuztonarten, wobei gerade z.B. Mozarts Konzerte KV 207 (B-Dur) und KV 364 (Es-Dur, Sinfonia concertante) ihren eigenen Reiz haben.

Viele Grüße
Achim
a.r.cor
 
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