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Thema: Musikalische Prostitution oder Erfahrung sammeln? |
Liebe Forum Gemeinde und innen ;-)
Ich habe für diesen Sommer mehrere Angebote bekommen für Opern Projekte. So weit so gut, allerdings wie ich dann die Bezahlung vernommen habe, habe ich mir schon so meine Gedanken gemacht, aber dazu später mehr.
Angebot 1
Opernprojekt 1:
2 Wochen Proben insgesamt an die 78 Stunden, bis zu 6 Stunden am Tag. (Unter freiem Himmel)
6 Aufführungen zu jeweils ca. 3 Stunden.
Macht insgesamt über 100 Stunden Arbeit. Bezahlung 400 € !!!
Das entspricht einem Stundenlohn von ca. 3.90 €
Angebot 2
4-5 Proben zu 3 Stunden + 1 Konzert in der Nähe von Wien + 1 Konzert in der Nähe von Neapel/ Italien (Inkl. 20 Std. Busfahrt, pro Strecke)
Bezahlung 120 € !!!
Angebot 3
3 Proben + 1 Konzert in Kroatien. Gutes Hotel, All inclusiv …
Es besteht die Möglichkeit nach dem Konzert gleich in Kroatien zu bleiben und dort Urlaub zu machen.
Bezahlung 140 €
Angebot 4
Opernprojekt 2:
3 Tage Proben + 5 oder 6 Aufführungen zu 2,5 Stunden. Die Opernstätte ist 2,5 Stunden entfernt, was bedeutet, dass man jedes Mal hinfahren muss.
Bezahlung 500 €
So jetzt zu meinen Fragen:
1)Habt Ihr als Studenten solche total unterbezahlten Sachen gespielt nur um Erfahrung zu sammeln? (Sofern Ihr Horn studiert habt meine ich)
2)Soll man sich für diesen Preis „hergeben“, immerhin zerstört man ja auch den Markt mit solchen Dumping Preisen.
3)Ist es vermessen und gierig mehr Geld zu wollen, wenn man noch Student ist.
4)Habt Ihr das in euren Studienzeiten auch erlebt?
Vielen Dank für eure Antworten im voraus.
LG
Webmaster Georg
Zuletzt bearbeitet: 16.06.08 18:50 von Administrator
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Man kann als Student sicherlich weder die Kurse für Bühnenmusik noch für Aushilfstätigkeiten in einem Konzert/Aufführung heranziehen.
Und nicht alle aufgeführten Angebote/Projekte sind nun wirklich schlecht bezahlt. "Kroatien" entspricht immerhin einem Stundensatz von nahezu 15 EUR und das inclusive Unterkunft, Verpflegung und Anfahrt. Als Student gibts da zudem keine Abzüge für Krankenversicherung, Sozialabgaben und Einkommensteuer.
Zum Vergleich: Ein öffentlich-rechtlicher Einstiegshornist im 2. Horn dürfte so auf 2500 EUR brutto kommen. Da bleiben beim Alleinstehenden pro Arbeitsstunde netto nach allen Abzügen kaum mehr als 8 EUR übrig. Mancher Tutti-Streicher hat noch deutlich weniger.
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Solche Anfragen sind einfach unverschämt und ziehen den ganzen Berufsstand in Mitleidenschaft.
Was ist unsere Arbeit noch wert?
Man sollte verhindern, das solche "Geschäfte" zustandekommen.
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Lieber Webmaster_Georg!
Erst mal vielen Dank, daß Du unermüdlich dieses mittlerweile richtig feine Forum für uns betreibst.
Ja Du hast schon recht, wenn man aufs Geld aus ist, so sind die angeführten Beispiele echt ein kalter Tropfen auf den heißen Stein. Aber bitte relativiere doch einfach mal:Erstens ist Geld nicht alles und
zweitens sind Lehrjahre keine Herrenjahre!
Think positive! Ich selbst habe als Tochter eines Totengräbers in jungen Jahren nie nach der Bezahlung gefragt, für ein oder zwei Gruft-Muggen durfte man ein ganzes Jahr in der Kirche oder Aussegnungshalle Horn üben. Zum Nulltarif bin ich für kurzfristig erkrankte norddeutsche Hornistinnen eingesprungen und mit deren Jugendorchester zu Konzerten nach Salzburg und Klagenfurt gefahren (Anreise im Zug und Privatunterkünfte wurden gestellt). Ach, und eine 5te Tschaikowsky am ersten Horn wurde noch mit einem kleinen aber feinen Stapelchen Hornkonzert-Noten goutiert.
Klar, ich bin heute kein Profi geworden, aber man leckt sich nach mir die Hände und ich habe meinen Preis. Trotzdem bin ich letztlich bei nicht ganz einer Tankfüllung Superbenzin für einen mir bekannten Hornisten eingesprungen und habe ein Programm mit leichter Muße absolut fehlerfrei, sensationell schön und nahezu vom Blatt geblasen. Ich habe anschließend eine erfreuliche Zeitungskritik erhalten - was will man mehr?
Was ich Dir mit auf den Weg geben möchte, und ich könnte Dir wirklich noch sehr viele Beispiele anführen: manchmal bläst man tatsächlich nur um Erfahrung zu sammeln, fürs Image und man knüpft immer wieder wichtige Kontakte fürs spätere Leben.
So long, BEATE
PS: bei Kroatien und Neapel könnte ich heut' noch schwach werden.
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Die Angebote reichen von sehr schlecht bezahlt bis unverschämt und das sag ich als Freischaffender, der sicherlich ab und an für weniger spielt als die Kollegen mit Festanstellung.
Ich frag mich wirklich, was in den Köpfen von den Leuten vorgeht, die einem sowas anbieten. Ob die ihre eigene Arbeit ähnlich gering schätzen?
Musikalische Prostitution ist aber keine Frage der Bezahlung.
Ich hab schon sehr gut bezahlte Mucken gespielt, die eindeutig eher darunter gefallen sind, als die meisten schlecht bezahlten Mucken.
Obs Prostitution ist oder nicht hängt für mich eher davon ab WAS ich spielen muß und nicht davon für wieviel Geld.
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Vielleicht sollte ich erläutern, was ich unter "unverschämt" verstehe.
Kultur- oder Konzertprojekte sind häufig entweder von öffentlicher oder privater Hand subventionierte Veranstaltungen, sehr viele können Minusgeschäfte für den Veranstalter werden.
Immer aber steht ein gewichtiges Interesse am Zustandekommen dieser Projekte im Hintergrund (Prestigestreben eines Dirigenten, Politikers, Kulturamtes etc.). Sonst würde es so etwas nicht geben. Also, in gewisser Weise "lohnt" es sich immer für irgendjemanden.
Dann kommen wir ins Spiel.
Solange professionelle (auch Studenten) Kollegen für 140 € tagelang im Ausland arbeiten, verfällt der Wert unserer Arbeit und das Ansehen unseres Berufsstandes. Eine Tagesgage(!) von 150-250 € muss das Richtmass sein.
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Solange professionelle (auch Studenten) Kollegen für 140 € tagelang im Ausland arbeiten, verfällt der Wert unserer Arbeit und das Ansehen unseres Berufsstandes. Eine Tagesgage(!) von 150-250 € muss das Richtmass sein.
Man darf nicht vergessen, daß Studenten i.d.R. in gewissen Grenzen Brutto = Netto verdienen, da sie keine Krankenversicherung, Sozialabgaben, Einkommensteuer etc. zu zahlen haben. So gesehen entspricht eine studentische Gage von 150 EUR durchaus einer Zahlung von 250 EUR an einen Berufsmusiker. Von daher sind einige der aufgeführten Angebote sicherlich nicht fürstlich, aber für einen Studenten(!) doch angemessen bezahlt. Die Erweiterung des Horizontes, interessante berufliche Kontakte etc. gibts gratis dazu - für einen Studenten eigentlich unbezahlbar.
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Grundsätzlich hat es sich eingebürgert, daß sich (mit Ausnahmen - siehe z.B. erste Salome unter dem ganz jungen Karajan) Möchtegern-Dirigenten auf Kosten der ganz jungen Kollegen durch derartige Aufführungsprojekte, besonders im Rahmen der allgegenwärtigen Festival-Inflation Karriere - oder Kohle - machen möchten und dabei die Arbeitskraft und die finanziel oft heikle Lage der jungen Kollegen maßlos und dabei noch dazu diktatorisch ausnutzen. Das darf nie dazu führen, daß sich unsere jungen Kollegen regelrecht prostituieren müssen.
Für das Angebot 1 wird sich kaum ein Orchester aus dem Osten Europas hergeben. Angebot 2 ist, was die "Aufwandsentschädigung" anlangt, absolut unter der zumutbaren Grenze, da es ja kaum Spesen auf der Reise nach Neapel bzw. zu den Proben und der Aufführung in der Nähe von Wien abdeckt, d.h. das Orchester spielt umsonst.
Angebot drei bedeutet 30.- EUR je Probe + 50.- EUR für das Konzert. Auch das ist nichteinmal eine Aufwandsentschädigung, sondern pure Ausnehmerei.
Bei Angebot 4 müßte man noch zumindest die Fahrtspesen einfordern. Arbeitsmäßig ist es sicher eine Schinderei. Ob das Projekt seriös ist, möchte ich bezweifeln. In drei Probentagen kann man einfach keine seriöse Opernproduktion absolvieren. Da wird dann nur durchgeklopft, - und die jungen Kollegen lernen dabei überhaupt nichts. Wer den Arbeitsaufwand nicht scheut, könnte versuchen, am Aufführungsort zumindest das freie Quartier durchzusetzen. Nach einer sommerlichen Opernaufführung ist es nämlichg nicht ratsam, noch 2 1/2 Stunden nachhause zu fahren. Aber man könnte bei einem derartigen Projekt auch lernen, wie man Oper nicht machen soll. Dabei kann es dann passieren, daß man die Lust am Opernmusizieren verliert.
Abwägen oder nachbohren (Honorar, Aufwandsentschädigung, freies Quartier) wäre angebracht.
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Ich dachte Prostitution sei es, wenn man(Frau) sich für kurze Zeit um viel Geld hergibt und nicht umgekehrt...
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Lieber Till ! Du hast reichlich wenig Ahnung. Du träumst vielleicht sogar ? Prostitution beschränkt sich nicht auf sogenannte "Nitribits" (Luxus Mädchen, die entsprechend ihrem Aussehen und "Können" viel Geld machen können, wenn sie keinen "Beschützer" haben, dem normalerweise trotz gesetzlichen Verbotes ein Großteil der Einnahmen abgeliert wird.).
Prostitution ist dann der Fall, wenn man sich für relativ wenig Geld, das man unbedingt braucht, fast alles gefallen lassen muß. Im Nachtleben heißt das, daß der "Kunde" von der Prostituierten gegen Entgelt (Tarife !!) fast alles bekommt. Das gilt für junge Männer ebenso wie für Frauen aller Altersklassen.
Es steht aber niemandem zu, auf diesen Berufsstand herabzsehen, da immerhin jede Frau eine potenzielle Mutter ist.
In unserem Beruf prostituiert man sich ziemlich oft, nur um im Geschäft zu bleiben. D.h. man macht jeden Unsinn der Veranstalter und Dirigenten mit, auch wenn es gegen das künstlerische Gewissen geht. Das gilt nicht nur für die Studentenschaft sondern auch bis hinauf in höchstklassige Orchester. Es gibt aber Ausnahmemusiker, die sich auch weigern z.B. bei einer Produktion au künstlerischen Gründen NICHT mitzumachen oder unter einem bestimmten Dirigenten NICHT zuspielen sondern lieber die Mugge nicht annehmen. Wenn man gut ist, dann rufen diese Leute schon wieder an. Dann kostet eben alles vielmehr.
Wenn man aber für einen Betrag, der nicht einmal die bescheidenen Verzehrspesen deckt, ein üppiges oder heikles Programm mit ganz wenig Probenzeit und dazu mit stundenlanger Anfahrtszeit (z.B. ganze Nacht im Bus unterwegs, wenige Stunden vor dem Konzert am Konzertort, letzte Probe bis kurz vor der Aufführung, nach dem Konzert wieder in den Bus und die Nacht durchgefahren) ansolvieren soll, ist das, wenn man es annimmt, Prostitution der untersten Klasse.
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