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Thema: Welches Horn/Instrument bei Bachs h-Moll Messe


Hallo liebe Hornisten,

Habe am Wochenende die h-Moll Messe von Bach mit Rilling und dem Stuttgarter Bachensemble gehört. In der berühmten Bass-Arie mit obligatem Corno spielte ein Trompetenhorn ähnliches Corno da caccia, vom Trompeter gespielt. Verglichen mit einer Aufnahme bei der ein Horn gespielt wird, finde ich, dass die Arie doch an Klangreiz verliert, wenn durch die Verwendung eines halb so langen Instrumentes die klangliche Spitzenlage nicht mehr gespielt wird.
Weiß jemand, was da zu Bachs Zeiten üblich war, und auf welchem Instrument diese Arie gespielt wurde?

Grüße

Dimitri

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Das kann nur ein Horn in der Lage gewesen sein, die unserem Naturhorn in D entspricht, also eine kleine Terz unter unserem heutigen F-Horn - freilich in der damaligen Stimmung, ca. 415 hz. Gebaut waren diese Hörner mit einer ewas enegeren Mensur als die Inventionshörner der Mozart-Zeit und kleinerer Stürze, ohne Stimmzug - etwa von Leichamschneider oder Ehe. Es gibt Dispute, ob diese Hörner im Rohr (Griff-)Löcher hatten zur Intonationsverbesserung auf bestimmten Tönen. Zu spielen sind diese Partien jedenfalls - und jedenfalls schöner als auf den Pseudo-Corni da caccia der heutigen Tage mit ihren drei Drehventilen, wobei es sich, Güttler sei Dank , im Grunde nur um gerundete Trompeten etwas weiterer Mensur (oder gerundete Flügelhörner) handelt, also pseudohistorische Fakes. Güttler übrigens hat diese Arie einmal eine Oktave höher auf einem hohen Trompetlein eingespielt, denn es heiße in der Arie doch wörtlich "tu solus altissimus" - Du allein bist der Höchste... Und nebenbei: Es spricht vieles dafür, dass auch das 2. Brandenburgische eher auf einem Horn in F gespielt wurde - niemand hat bisher Spuren einer Trompoete in hoch-F gefunden, üebrhaupt nicht in F..
Soviel aus der la meng!
Salue



Gute Frage! Bach könnte sie beantworten. Leider leben wir dazu in der falschen Zeit.
Die damals verwendeten Begriffe wie "corne par force", "corno da caccia", "corno" usw. sind mehr willkürlich gewählt. Bach hat auch einige Cornett- (Zinken-) Stimmen mit "corno" bezeichnet. Andererseits gibts bei Ihm den "Lituus", was aber auch ein Orgelregister bezeichnen kann und kein römisches Blasinstrument.
Zu Bachs Zeit war das Horn noch nicht zum Inventionshorn gereift und es existierten bestimmt viele verschiedene Modelle. Auf der Homepage von E. Schmid gibts ein Barockhorn zu sehen und das berühmte "Ding", das Reiche auf dem Hausmann-Portrait hält, wurde von Friedbert Syhre in Leipzig nachgebaut. Ich habe den Originalnachbau schon bei Syhre geblasen. Es ist quasi ein Kornettinstrument und keinesfalls eine rundgewickelte "welsche" (italienische) Trompete! Das Mundrohr (Bogen) ist zylindrisch, der Rest ist konisch, aber nicht so stark ausgeprägt wie bei einem "Horn", so wie man es sich heutzutage vorstellt. Angeblasen wird das Teil mit einem Naturtrompetenmundstück. Ob nun damit die Herren Reiche und Ruh die "Corno"-Stimmen in Bachs Werken bliesen, läßt sich natürlich nicht sagen. (Reiche war kein "gelernter" Trompeter und durfte sich deshalb nicht mit einer üblichen Langtrompete öffentlich sehen oder hören lassen; außer in der Kirche. Vermutlich griff er deshalb beim Portrait zu dem runden Teil um mit der Trompeterzunft keinen Ärger zu bekommen.) Eines aber steht fest: Es waren keine "Tromba"- (Trompeten-) Stimmen, auch wenn das Horn sich in der gleichen Lage bewegt (Clarin). Kunitz schreibt auch etwas darüber, gibt jedoch logischerweise ebenfalls keine präzise Auskunft. Oftmals wird in der Fachliteratur ein als "Corno da tirarsi" bezeichnetes Instrument angeführt. Das hat es (konnte es) nie (ge)geben. Eine "Tromba da tirarsi" hingegen gab es: Eine übliche Langtrompete, deren 1.Rohr ein gleichlanges Innenrohr hatte, das wie ein halber Posaunenzug ein- und ausgeschoben werden konnte. Man hielt mit der Linken das Mundstück samt diesem Rohr an den Lippen und mit der Rechten bewegte man die ganze Trompete vor und zurück. So war eine Erniedrigung der Naturtöne um bis zu 3 Halbtonschritten möglich. Bei einem runden Instrument (Corno) wäre das Ein- und Ausziehen unmöglich! Warum ich das erwähne? Weil immer wieder behauptet wird, das einige Stimmen, die bei Bach mit "Tromba" oder "Corno" bezeichnet sind, auf einem damaligen Blechblasinstrument (ausgenommen Zugposaunen) nicht spielbar wären. Kunitz behauptet sogar, daß diese Stimmen, weil "untenrum" chromatisch, auf "Basso"-Hörnern gespielt wurden (wenn ich das jetzt richtig in Erinnerung habe). Das aber die erwähnte Zugtrompete ein gängiges Instument im Bestand der Stadtpfeifer war, daran denken die wenigsten Leute.
Ergo: Ein "richtig" oder "falsch" bezüglich der damals verwendeten Instrumente ist nicht mit Gewissheit festzulegen. Es bleibt somit den Ausführenden überlassen.

Blech blasen statt Blech reden!


@ Rob Leicht:

Die barocke Tromba in F stand höher als die C- und D- Trompete und hat die gleiche Rohrlänge wie eine Ventiltrompete in f-alto, die bekanntlich tiefer steht, als die heute übliche Ventiltrompete in B. In Frankreich wurden sogar G-Trompeten verwendet.
Grifflöcher gab es damals nicht. Sie sind eine Erfindung unserer Tage, als man versuchte, wieder auf historischen Instrumenten zu spielen. Die "unregelmäßigen" Töne, etwa das h1 auf der C-Trompete, wurden durch Treiben mit den Lippen produziert. Vielleicht waren aus diesem Grunde auch ab und zu Hörner mit einem Trompetenmundstück versehen worden. Denn mit einem breiten, flachen Rand geht das sehr gut, wohingegen ein heute üblicher Rand am Hornmundstück eher zum Kieksen führt. (Das Stopfen kam ja erst später.) Das würde zumindest erklären, warum das "Corno da caccia" Reiches auf dem Hausmann-Portrait ein solches Mundstück trägt.

Blech blasen statt Blech reden!

Zuletzt bearbeitet: 16.09.08 21:06 von Martin2


dimitri:
Verglichen mit einer Aufnahme bei der ein Horn gespielt wird, finde ich, dass die Arie doch an Klangreiz verliert, wenn durch die Verwendung eines halb so langen Instrumentes die klangliche Spitzenlage nicht mehr gespielt wird.


...ich würde sogar noch weitergehen: Es ist eine der Stellen die mich persönlich richtig "packen" können. Das Zusammenwirken von Bass und Horn kann mich so "entrücken", dass ich das Empfinden habe, ich schwebe geborgen im Universum (bildhaft gesprochen). Wenn der letzte (Horn)ton des "Quoniam tu solus sanctus" verklingt und der Chor einsetzt "Cum Sancto Spiritu.....AMEN!!!" Dann ist es so, dass man es plötzlich für möglich halten kann, man schieße wie eine Feuerwerksrakete durch das All. Vor allem auch ausgelöst durch die Trompeten im Chor.
Wird jedoch das "Quoniam" schon von einer "Trompete" begleitet, dann verliert nicht nur das "Quoniam" selbst, sondern auch der folgende Chor ganz erheblich an Wirkung, (emp)finde ich.

Mir persönlich ist die Messe in h-Moll auf modernen Instrumenten am liebsten.

Ich weiß auch nicht ob eine historisch korrekte Aufführung so einfach machbar wäre? Selbst wenn man genau sagen könnte wie das "corno" gebaut war, das Bach meinte, müßten ja außer dem "Horn" alle Orchesterinstumente historisch korrekt gebaut sein und die Stimmung müßte auch angepasst werden. Den Chor nicht zu vergessen. Knaben ? Knaben im Chor wäre vielleicht noch realisierbar aber was ist z.B. mit dem "Et in unum Dominum" oder dem "Agnus Dei" wo kriegt man die Kastraten her oder wieviele Kinder können sowas singen? Das alles im Gesamtpaket (außer den Kastraten - natürlich) könnten doch sicher nur ganz wenige leisten, wenn überhaupt ..... und selbst dann ginge wahrscheinlich der Streit um das "historisch richtige" Tempo wieder los.....

Meines Wissens ist die Messe zu Bachs Lebzeiten nie (vollständig) aufgeführt worden. Wäre ja auch viel zu umfangreich für einen Gottesdienst gewesen. Von daher stellt sich doch die Frage nach der "historischen Aufführungspraxis" und den "richtigen Instrumenten" doch eigentlich gar nicht so unbedingt....???

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Dirk:

...ich würde sogar noch weitergehen: Es ist eine der Stellen die mich persönlich richtig "packen" können. Das Zusammenwirken von Bass und Horn kann mich so "entrücken", dass ich das Empfinden habe, ich schwebe geborgen im Universum (bildhaft gesprochen). Wenn der letzte (Horn)ton des "Quoniam tu solus sanctus" verklingt und der Chor einsetzt "Cum Sancto Spiritu.....AMEN!!!" Dann ist es so, dass man es plötzlich für möglich halten kann, man schieße wie eine Feuerwerksrakete durch das All.


Habs mir gerade noch mal angehört, bin aber nicht so abgegangen wie du. Was muß ich anders machen? Oder wäre das illegal?



Hallo Martin2,

da muß ich etwas dazwischenfahren. Schon mal etwas von Philipp Dornaus gehört ? Der hat nämlich ein solches "corno da tirarsi" entworfen, bei dem der Stimmzug ähnlich einem Posaunenzug funktionierte, doch sogar in zwei Varianten möglich. Bei der einen zog ein Rückholmechanismus (Federwerk) den Zug immer in die (längste) Grundstellung. Eine Schnurverbindung, die mit dem Daumen der linken Hand betätigt wurde, erlaubte es, den Stimmzug zu "einzuziehen", daß das Horn um einen Halbton erhöht wurde, wobei noch Zwischenstufen z.B. zur die Korrektur des f2 und b1 und a1 möglich waren. Die zweite Version zog den Zug immer in die kürzeste Stellung zurück und das Schnursystem erlaubte es mittels einer Umlenkrolle, daß der Stimmzug entsprechend herausgezogen werden konnte, um die oben erwähnten Korrekturen auszuführen. Dabei verschob sich das Korrektursystem entsprechend.

Aber das System erwies sich als zu anfällig und wurde dann doch nicht gebaut. Außerdem war das schon lange nach Bachs Tod, - erst um ca. 1800.



@ Dirk

1.
Es macht generell keinen Sinn mit heutigen Knabenchören eine historisch korrekte Aufführungsweise erreichen zu wollen, da früher der Stimmbruch bei den Knaben sehr spät eintrat. Von Joseph Haydn wissen wir, dass er mit 18 Jahren den Chor verlassen musste, auf Grund der Stimmmutation. Natürlich hatten diese "Jugendlichen" keine Kinderkörper und somit auch keine Kinderstimme mehr, was den Klang maßgeblich beeinflusst hat. Sie hatten wahrscheinlich eine sehr volle Stimme(für Sopran- und Altlage), was heutige Knaben(6-12 Jahre) natürlich nicht leisten können. Bach Stimmbruch trat übrigens 1701 ein, also mit 16 Jahren.

2.
Die h-Moll Messe war definitiv nicht zu lang für einen Gottesdienst. Schließlich wurde die Matthäus-Passion auch im Rahmen des Karfreitagsgottesdienst 1727 aufgeführt(viel länger als die Messe). Außerdem ist die h-Moll Messe ein katholisches Werk und hätte sowieso nichts in einem protestantischen Gottesdienst verloren.



Traut sich keiner, das Quoniam auf dem F-Horn zu spielen ? Wenn man ein gutes a2 hat, ist das kein Problem. Man muß nur etwas anders spielen als sonst. Viel feiner und besser artikuliert und leichter. Hab das schon in Linz im Brucknerorchester gemacht und wieder einmal beim Münchner Bachorchester in Brüssel unter Karl Richter. Es geht viel besser als mit dem B-Horn.

Da man das a2 mit 12 greift, ist es automatisch einen Strich zu hoch, was sehr hilft.

Es muß aber nicht auf dem F-Horn sein. Das ist nur etwas für sehr starke Nerven. Normalerweise spelt man das auf dem einfachen hohen F-Horn mit dem normalen Mundstück. Wem das reine hohe Horn zu wenig Resonanzmasse, das B-hoch-F aber zu viel Masse hat, dem empfehle ich, das B-hoch_F zu nehmen, aber die B-Züge zu entfernen, so es ein echtes Doppelhorn ist. Das Tripel hat wieder viel zu viel Masse. Das Wienerhorn wäre massemäßig gerade recht.

Wichtig ist nur, daß man sehr leicht spielt und sich nicht als wichtigen Solist versteht. Solist ist der Sänger. Das Horn "umspielt" das Ganze nur.

Technisch: erst zwei Nummern vor dem Quoniam hineinschleichen, etwas die Fagottstimme ganz leise mitflüstern und auf geht´s ! Und sofort Abgang beim nächsten Chor.

PS: Das dritte Ventil sehr gut einstimmen für das gis2.



pferdinand:
@ Dirk
. Außerdem ist die h-Moll Messe ein katholisches Werk und hätte sowieso nichts in einem protestantischen Gottesdienst verloren.


Aua... Bei dem lateinischen Messetext der h-Moll-Messe handelt es sich allerdings um eine "revidierte lutherische Fassung" ;-)

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