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Thema: Francesco Biscogli |
Wer kennt einen Komponisten mit Namen Francesco Biscogli?
Er muß etwa von 1740 bis 1770 herum aktiv gewesen sein; vielleicht auch etwas später. Es gibt von ihm nur ein überliefertes Werk: Ein Konzert für Trompete, Oboe und Fagott. Sehr schön! Alle drei Soloinstrumente harmonieren in ihrer Behandlung perfekt. Ludwig Güttler hat das Werk auf der LP/CD "Ital. Trompetenkonzerte Vol.II" seinerzeit eingespielt. Lt. Booklet (von Manfred Fechner) ist das Stück nur in einer Pariser Handschrift widergegeben. Die Instrumentierung ohne Violen läßt auf Neapel schließen. Die Behandlung der Trompetenstimme ist aber weder venizianisch noch entstammt sie der Bologneser Schule oder erinnert an Neapel, der Stil ist sehr glatt und hat eigentlich nichts mit italienische Instrumentalkonzerte alla Torelli, Vivaldi, Viviani oder Aldrovandini gemeinsam. Der dritte Satz des Konzertes zeigt auffällige Parallelen zum Konzert für Horn und Fagott(!) von Jaques Widerkehr. Dieser war Schüler von Franz Xaver Richter in Paris. Das durchaus als hochvitrtuos geltende Trompetenkozert von Richter ist berüchtigt. In dem Biscogli-Werk sind auch hier Parallelen zu Richter erkennbar.
Mir drängt sich auf, daß besagter Biscogli entweder Richter selbst ist, oder einer seiner Schüler.
Wer kann diesbezüglich weiterhelfen?
Blech blasen statt Blech reden!
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Hallo Martin,
leider kann ich dir nicht weiterhelfen, da ich weder Biscogli noch seine Werke kenne. Doch Du hast geschrieben, Biscogli sei höchstwahrscheinlich aus der Gegend um Neapel - Richter ist meines Wissens aus Mähren. Ja, damals reisten Schüler weit, um zu ihren Lehrer zu gelangen, aber so weit... Und dazu kommt, dass sie ja beide unterschiedliche Stile hatten - Biscogli den venezianischen und Richter den "vorklassischen"... Biscogli hätte mindestens ein wenig von seinem Lehrer abkupfern können - außer sein einziges Werk hat er geschrieben, bevor er bei Richter Schüler war...
Lg, David
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Der Stil des Biscogli Konzertes weist neapolitanische Züge auf, z.B. das Fehlen der Bratschen. Direkt venizianisch ist der Stil des Konzertes aber auch nicht. Zudem sind weder Lebensdaten noch der Wirkungsort von Biscogli bekannt. Er ist nur durch besagtes Konzert, was aber in Paris auftauchte, überhaupt nachgewiesen! Damals wie heute haben viele Komponisten unter falschen Namen geschrieben. Biscogli muß also weder Italiener gewesen sein, noch jemals Italien bereist haben.
Blech blasen statt Blech reden!
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Im Grunde basieren alle bekannten Angaben zu Biscogli auf Spekulationen, da wohl nichts an Lebensdaten und weiteren Werken überliefert worden ist. Ich meine mal gelesen zu haben, daß es einen Bruder namens Andrea gegeben haben soll, der ebenfalls als Komponist tätig war - wobei man wohl dessen Werke eher Francesco zuordnet. Auch gab es eine gewisse Nähe zu Johann Wilhelm Hertel. Verwirrend. Wäre eine gleichermaßen dankbare wie undankbare Aufgabe für eine akademische Arbeit.
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Man könnte ja die italienischen Kollegen mal fragen, in welcher Gegend Italiens der Name Biscogli am häufigsten vorkommt. Wäre vielleicht ein Anhaltspunkt. Zwar pendeln immer wieder die Leute hin und her, aber bei meinem Familienamen ist es so, daß er nur lokal vorkommt, von einigen wenigen Ausnahmen mal abgesehen.
Blech blasen statt Blech reden!
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meines Wissen war zu der Zeit in Teilen Italiens die "kirchliche Zensur" für weltliche Musik ziemlich streng. Vieleicht ist es so zu erklären, dass ein solches Stück unter einem Pseudonym erschien, wenn ein Musiker seine "Zulassung" nicht verlieren wollte.
Denkbar wäre es auch, dass ein musikalisch weniger begabter, wohlhabender Zeitgenosse das Stück in Auftrag gegeben hat und unter seinem Namen veröffentlicht hat. Das war meines Wissens auch nicht ungewöhnlich und ganz legal zu dieser Zeit.
Wo hat denn Richter zu dieser Zeit gewirkt? In Italien? Dann ist der Ansatz erst mal gar nicht so abwegig.
Interessant wäre es zu forschen ob eine Person dieses Namens zu dieser Zeit überhaupt in den Kirchenbüchern verzeichnet ist und wenn ja, was sonst noch von ihm überliefert ist.
Wenn das in Italien natürlich soviel wie ein "Fritz Maier, Hans Müller, Franz Schulze" war, ist es aussichtslos Schlüsse zu ziehen.
Wär aber vielleicht mal eine interessante Dr.-Arbeit für jemand der zuviel Zeit hat :-)
Wissen die "sächsichen Trompeter" vielleicht mehr? Vielleicht wäre das ein möglicher Weg zum weiter durchfragen?
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@Martin:
Neuer Ansatz von mir (manchmsl hilft nachdenken):
Ich denk jetz mal rein historisch (das krieg ich hin) und nicht "musik-analytisch" (dafür reicht´s bei mir leider nicht, schon gar nicht bei Trompete):
Interessant für mich ist in diesem Zusammenhang die Pariser (Paris!!) Handschrift. Von wann ist die datiert?
Es fehlen die Bratschen und das deutet auf Neapel hin, (sagst du - nehmen wir das mal als gegeben an). Ebenfalls der italiensche Name (Pseudonym?) des Verfasseres.
Könnte es sein, dass die Musik für das Umfeld des Neapolitanischen Hofes geschrieben wurde und es dort zu der Zeit (aus historisch gewachsenen Gründen) einfach (noch) keine Bratschen gab? Der Komponist könnte deiner Meinung nach eher kein Italiener gewesen sein(?)
Zu Neapel:
1735 fiel das Königreich Neapel von den österreichischen Habsburgern an die Bourbonen. Zwar an die spanische Bourbonen-Line, doch die war (aus Frankreich kommend) erst 1713 auf den spanischen Thron gelangt. Das heißt um 1750 müßte der Hof und die "upper class" in Neapel sehr französisch ausgerichtet gewesen sein (noch deutlich mehr als die anderen europäischen Höfe) und sich nicht nur kulturell in Richtung Paris orientiert haben sondern auch im Hinblick auf Beziehungen, "leitendes Personal" und Politik.
War der spanische Bourbonen-König um diese Zeit (1740er/50er Jahre) auf einem Antrittsbesuch in seinem neuen Königreich Neapel? (da muss ich leider passen - wäre aber gut vorstellbar und müßte sich rausfinden lassen). Der Besuch des neuen Monarchen ist schon allein aus dem Grund wahrscheinlich, weil die Bourbonen ihren Machtanspruch in Italien gegenüber den österreichischen Habsburgern (denen "nur" ihre Besitzungen in Norditalien verblieben waren) durchsetzen wollten. Wenn nicht der spanische König selbst so ist wahrscheinlich zumindest ein hochrangiger Vertreter seiner Familie nach der "Machtübernahme" nach Neapel gekommen (vorübergehend oder auch länger als Regent)
Zu solchen Besuchen der Regenten in den "Kolonien" wurden oft ganze Straßen und Gebäude um- oder sogar neugebaut (kann man sich ja denken) und auch das "sonstige Umfeld" musste stimmen. Wahrscheinlich hat man dann auch (nur vorübergehend? - für die Dauer des Besuches oder auch längerfristig) die "Hofmusik" aufgepeppt (Mit Personal oder zumindest mit Kompositionen aus Paris?).
Wenn die Vermutung "Neapel" also stimmt, ist der Blick nach Paris nur logisch. Richters Lebensdaten und sein Wirken in Paris kenne ich nicht. Aber wenn der Hergang so (ähnlich) war, wie ich ihn geschildert habe, dann wäre es in der Zeit nach 1735 bis ca. 1750 passend. Wenn es später war, wäre zu prüfen ab wann den "Bratschen" in Neapel Verwendung fanden und wie sich der Stil änderte. Wurde er französicher? Ab wann? Die enge Verbindung Neapels zu Frankreich blieb jedenfalls bis zur Revolution und Napoleon bestehen. Vor 1735 wäre eine direkte Pariser Verbindung aber eher auszuschließen.
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meine (aus dem Kopf gemachten Angaben zu Neapel) muss ich, nach Nachschau, doch etwas revidieren, bzw. ergänzen:
Nachdem 1735 Neapel per Vertrag von den Habsburgern an die Bourbonen gefallen ist, war es Teil des Vertrages, dass Neapel nicht vom spanischen König direkt regiert werden durfte. Also bestieg der spanische Thronfolger Karl VII den Thron des Königreichs von Neapel und residierte auch in Süditalien. Als er selbst nach dem Tod seines Vaters König von Spanien wurde, übergab er den neapolitanischen Thron seinem eigenen Sohn. Karl war sowohl in Neapel als auch in Spanien ein äußerst erfolgreicher König. Seine Länder "boomten" (wie man heute sagen würde).
Besonders für Neapel musste der Aufstieg von der österreichischen Proviz zur Residenz eines bourbonischen Königs einen gewaltigen Aufschwung bedeuten. Es wurden zahlreiche neue öffentliche Gebäude errichtet. Karl baute als Residenzschloss, orientiert an Versailles, den überaus protzigen Palast von Caserta. Neben Versailles und Mannheim eines der gewaltigsten Schlösser seiner Zeit.
Dies läßt nur den Schluss zu, dass es in Neapel auch ein sehr bedeutendes Hoforchester gegeben haben muss, das europäische Vergleiche nicht zu scheuen braute. (Spricht allerdings nicht dafür, dass es dort keine Bratschen gegeben haben könnte. An diesem Hof gab es sicher jeden Luxus, den man zur damaligen Zeit überhaupt haben konnte.)
Die Ausrichtung war aber 100% pro Frankreich und Spanien. An der italienischen Provinz hat man sich sicher kulturell kaum noch orientiert.
Vielleicht ist bei italienischen Musikern noch bekannt, wer zu dieser Zeit Leiter der Hoforchesters war? Mich würde es nicht wundern, wenn es sogar ein Vertreter der Mannheimer Schule gewesen ist (schließlich wollte man sicher das Beste) von daher wäre auch die Verbindung zu Richter nicht ganz abwegig.
Über die Frau von Karl, Maria Amalia, eine geborene Prinzessin von Sachsen, hat es vielleicht auch Verbindungen nach Deutschland, zumindest an den sächsischen Hof gegeben. Die Verbindungen nach Madrid und Paris waren aber mit Sicherheit am weitaus stärksten. Dass also die Pariser Handschrift aus Neapel stammen könnte ist daher gar nicht abwegig.
Abwegig ist aber auch nicht, dass man begabte italienische Musiker für Studien nach Mannheim, Paris oder Sachsen geschickt haben könnte. Vielleicht war auch Biscogli ein solcher?
Falls das wirklich alles heute im Dunkeln liegt wär es ein guter Stoff für einen Hollywoodfilm:
"Junger italienischer Provinzbursche und musikalisches Wunderkind wird durch den neuen politischen und kulturellen Verhältnisse eine ungeahnte Perspektive eröffnet. Stirbt dann aber jung und tragisch (hier wird dann irgendwo noch eine Liebesgeschichte eingebaut - oder Biscogli selbst war eine Frau und in Karl verleibt *Hahaha*)und er hinterläßt der Nachwelt nur ein einziges Zeugnis seines Genies" *Schmacht, Heul!*
Ich will 5% des eingespielten Gewinns!!
...und verlasse jetzt das Reich der Phantasie!
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Hey, da bin ich doch nicht der Einzige, der sich mit "Geschichte" auseinandersetzt.
Richter selbst hat zu fraglicher Zeit wohl (noch) in Mannheim oder (schon) in Staßburg gewirkt. Er ging erst 1769 nach Paris. Ob er jemals in Italien war, ist mir aber nicht bekannt. Bei Wikipedia oder ähnlichen Seiten steht nichts davon. Andererseits reiste aber fast jeder Compositeur, der auf sich hielt, ins Steifelland, um sich dort weiterzubilden. Wäre also möglich, daß Richter auch dort Spuren hinterlassen hat.
Die "sächsischen Trompeter" wissen leider auch nicht mehr zu Biscogli. Ein Arbeitskollege (Süditaliener) hat sich auch mal zu dem Namen kundig gemacht. Ergebnis: Negativ! Es scheint sich in der Tat um ein Pseudonym zu handeln. Die neapolitanischen Kirchenbücher zu studieren, wäre interessant, aber wohl kaum durchführbar.
Das "Blöde" am Biscogli-Konzert ist einerseits die Ritonellenform, andererseits seine im 3.Satz doch sehr mannheimerrische Ausführung. Man kann es zeitlich nicht sehr eng eingrenzen. Es gibt auch frühere Konzerte diversester Komponisten, die durchaus schon einen klassischen Einschlag aufweisen, ohne es zu sein. Als Beispiel möchte ich das Konzert für zwei Corni da caccia und zwei Flöten von Heinichen anführen: Der zweite Satz für sich genommen läßt eher auf die L.Mozart-Zeit tippen. Entstanden ist es aber um 1720-1730 herum.
Ich werde das Ganze weiter verfolgen! Mal sehen, was sich noch ergibt.
Blech blasen statt Blech reden!
Zuletzt bearbeitet: 21.08.08 21:37 von Martin2
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@Martin:
falls du "fündig" werden solltest, würden mich die Ergebnisse interessiern. "Geschichte" ist von Zeit zu Zeit immer für die eine oder andere Überraschung gut.
Beim Namen "Biscogli" könntest du vielleicht auch die Verbindung "Neapel - Madrid" weiterverfolgen.
Ich hatte als Jugendlicher einen Bekannten süditaienischer Abstammung mit Nachnamen "Tonlorenzi". Er meinte dass dies kein italienscher Name sei und dieser Name in Italien auch nicht verbreitet wäre. Sein Vorfahre würde aus der spanischen Oberschicht stammen und der Name würde sich so von einem "Don Lorenzo" ableiten und er meinte, dass es solch "seltsame" Namen in Süditalien durch die vielen wechselnden kulturellen Einflüsse wohl gelegentlich gäbe.
Zu der fraglichen Zeit war es aber auch "in" als Pseudonym den eigenen (mitteleuropäischen) Namen zu "italienisieren", wäre auch noch ein möglicher Ansatz.... üblich waren bei Pseudonymen machmal auch Hinweise auf die "Herkunft(-sgegend)"........... ein weites Feld!
Kennst du die Mormonen? Eine religiöse Gemeinschaft, die glaubt, man müsse die Verstorbenen nachträglich taufen. Meines Wissens sammeln die Mormonen zu diesem Zweck in einem Register in Salt Lake City, USA alle verfügbaren Daten verstorbener Menschen, die sie kriegen können. Ich glaube man kann dort auch Einkünfte einholen (Wie das genau funktioniert weiß ich aber nicht). Jedenfalls müsste sich so feststellen lassen ob, wann und wo hauptsächlich Träger dieses Namens gelebt haben.
jedenfalls viel Erfolg bei deiner weiteren "Forschungsarbeit"!
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